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    Urteil des Amtsgerichts Prüm vom 22.01.1991, Az. 7 Js 5075/90 - Ds - StA Trier und

    Urteil des Oberlandesgerichts Koblenz vom 29.04.1991, Az. 2 Ss 106/91:

    Vereiteln der Zwangsvollstreckung, Besitz als Vermögensbestandteil - § 288 StGB

 

Das Amtsgericht Prüm hatte den Angeklagten (A.) wegen Vereitelns der Zwangsvollstreckung - Vergehen nach § 288 StGB - zu einer Geldstrafe verurteilt. Die Entscheidung des Amtsgerichts beruht im wesentlichen auf folgenden Feststellungen:

Der A. ist Vollstreckungsschuldner des Finanzamtes Köln-Altstadt. Wegen einer gegen ihn bestehenden Steuerforderung über 27.000,00 DM bat diese Behörde das Finanzamt Daun im Wege der Amtshilfe um Pfändung in das bewegliche Vermögen des A. Diese sollte bewirkt werden, verlief indessen fruchtlos.

Der Vollziehungsbeamte stellte dabei jedoch das Vorhandensein eines Pkw der Marke Opel Omega fest. Das Fahrzeug war auf den A. zugelassen, stand aber im Eigentum seines Schwagers, des Zeugen H., der ihm ein Darlehen über 12.000,00 DM gegeben hatte. Zur Sicherung dieser Forderung hatte sich der Zeuge H. das Eigentum an dem Fahrzeug übertragen und sich auch den Kfz-Brief aushändigen lassen.

Nach Kenntnis dessen bat das Finanzamt Köln-Altstadt das Finanzamt Daun mit einem weiteren Vollstreckungsversuch um Pfändung und Inbesitznahme des vorgenannten Pkw Opel Omega.

Die Finanzbeamten J. und W. begaben sich demgemäß auf das Gelände der Firma M., wo der A. zur fraglichen Zeit stundenweise als Autoverkäufer tätig war. Nach erfolgloser Zahlungsaufforderung wollten die Bemten die Pfändung des auf dem Firmengelände abgestellten Fahrzeugs vollziehen, suchten jedoch nach einem Hinweis des A. über die bestehenden Eigentumsverhältnisse die Polizeiwache Gerolstein auf, um "Zeugen" hinzuzuziehen. Nach Rückkehr der Finanzbeamten war der A. mit dem Pkw verschwunden. Späterhin wurde festgestellt, dass dieser den Wagen im Auftrag des Zeugen H. an einen Dritten veräußert und den Verkaufserlös abzüglich eigener Kosten an seinen Schwager abgeführt hatte.

Der Amtsrichter vertrat die Rechtsansicht, der A. habe bei dem aufgezeigten Sachverhalt den Tatbestand des § 288 StGB in objektiver und subjektiver Hinsicht verwirklicht. Er habe den Besitz an dem Fahrzeug aufgrund eines "Anwartschaftsrechts" erworben, das einen "Anspruch auf Eigentumsübertragung" nach Rückzahlung des gewährten Darlehens beinhaltet habe. Durch den Besitz an dem Pkw in Verbindung mit dem bestehenden Anwartschaftsrecht hätten sich die dem A. zustehenden Güter vermehrt, wobei durch sein Vorgehen (Wegschaffen und Veräußern des Pkw)  ein Bestandteil des Vermögens beiseite geschafft worden sei.

Gegen das Urteil des Amtsgerichts wandte sich der Angeklagte mit seiner Revision (sog. Sprungrevision - § 335 StPO), mit der er die Sachrüge erhebt und seinen Freispruch von dem Vorwurf der Vollstreckunsvereitelung erstrebt.

Das OLG Koblenz sah die Revision des A. als begründet an. Der Besitz des A. an dem zur Tatzeit im Eigentum des Zeugen H. gestandenen Pkw's könne nicht als Vermögensbestandteil im Sinne des § 288 StGB gewertet werden.

Allerdings sei, so das OLG weiter, anerkannt, dass der Vermögensbegriff im Sinne des § 288 StGB nicht gleichbedeutend sei mit dem des bürgerlichen Rechts und dass zu dem der Vollstreckung unterliegenden Vermögen des Schuldners unter Umständen auch der Besitz gehören könne. Er sei dann Bestandteil seines Vermögens, wenn es sich gerade um eine Vollstreckung handele, die darauf abziele, dem Gläubiger den Besitz des Gegenstandes zu verschaffen. Dies sei zum Beispiel dann der Fall, wenn der Gläubiger auf Herausgabe einer ihm gehörenden Sache geklagt habe und nunmehr die Herausgabe durch Vollstreckung nach § 883 ZPO erzwingen wolle. Im Einklang hiermit habe das Reichsgericht ausgesprochen, dass, sofern der Eigentümer einen vollstreckbaren Titel auf Herausgabe einer Sache erlangt habe, der Schuldner den Gegenstand aber beiseite schaffe, § 288 StGB erfüllt sei. Die Eigenschaft des Besitzes als Vermögensbestandteil sei auch zu bejahen, wenn der Schuldner den Besitz einer Sache durch Kauf unter Eigentumsvorbehalt erworben und so ein Anwartschaftsrecht erlangt habe. Der Sachbesitz sei dann gegenüber der Geldvollstreckung des Vorbehaltseigentümers Bestandteil des Schuldnervermögens.

Keine dieser Fallgestaltungen sah das OLG jedoch hier als gegeben an:

Die Zwangsvollstreckung sei nicht wegen eines Herausgabeanspruchs, sondern wegen einer Geldforderung betrieben worden. Der A. habe auch keine Anwartschaft in Bezug auf das Eigentum an dem Fahrzeug gehabt. Denn der Zeuge H. sei nicht Vorbehaltseigentümer, sondern Sicherungseigentümer. Zudem sei er auch nicht Vollstreckungsgläubiger gewesen. Der bloße Besitz einer Sache könne in einem solchen Fall nicht als "Bestandteil des Vermögens" im Sinne des § 288 StGB gelten. Der Vollstreckungsgläubiger habe hier kein rechtliches Interesse und auch kein wirtschaftlich begründetes Interesse daran, dass ihm durch den Strafschutz des § 288 StGB bei der Zwangsvollstreckung der Zugriff auf die im Besitz des Schuldners befindliche Sache offengehalten werde. Zwar habe der Gerichtsvollzieher bei der Pfändung nach § 808 ZPO Rechte Dritter, auch wenn der Schuldner oder der Dritte auf sie verweise, grunsätzlich nicht zu berücksichtigen. Vielmehr sei es im Regelfall Sache des Dritten, sich auf dem Wege des § 771 ZPO dem Zugriff in seine Sachen zu erwehren. Die - lediglich entfernt liegende - Möglichkeit, dass dieser Weg ausnahmsweise nicht bestritten werde, rechtfertige es indes nicht, ein Bedürfnis für den Strafschutz nach § 288 StGB zu bejahen. Im übrigen würde in Fällen der vorgenannten Art die Verwertung der Sache im Wege der Zwangsvollstreckung dem Gläubiger auch keine echte Befriedigung verschaffen, da er nach Abschluss der Zwangsvollstreckung immer noch Bereicherungsansprüchen und ggfls. auch Schadensersatzansprüchen des Dritten ausgesetzt wäre.

Hiernach bleibe festzustellen, dass der A., der gegenüber dem Zeugen H. lediglich einen Anspruch auf Rückübertragung des Eigentums nach Begleichung der Darlehenssumme erworben habe, mit dem Beiseiteschaffen bzw. Veräußern des Pkw's den objektiven Tatbestand des § 288 StGB nicht erfüllt und damit keine Vollstreckungsvereitelung begangen habe.

Der A. wurde daher freigesprochen.

 

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