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    Urteil des Sozialgerichts Trier vom 03.04.1998, Az. S 6 V 13/97:

    Anspruch auf Lieferung eines elektronischen Lesegerätes mit Sprachausgabe nach dem

    Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der Orthopädieverordnung (OrthV) -

    § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 8 BVG (Versorgung mit Hilfsmitteln)

 

Bei dem Kläger ist eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 100 % anerkannt. Und zwar besteht beim Kläger ein Verlust des rechten Auges und Blindheit des linken Auges sowie multiple Verletzungsnarben. Der Kläger beantragte bei der Versorgungsverwaltung die Lieferung eines elektronischen Lesegerätes mit Sprachausgabe. Zu dem von der beklagten Versorgungsverwaltung erfragten Nachweis, dass er dringend darauf angewiesen sei, teilte der Kläger mit, er wolle die Tageszeitung und weitere Zeitungen und Zeitschriften lesen, sowie persönliche Briefe, für deren Lektüre er nicht ständig Zeit und Hilfe seiner Ehefrau und anderer Personen in Anspruch nehmen wolle.

Der Beklagte lehnte den Antrag mit der Begründung ab, die tatbestandlichen Voraussetzungen der §§ 16 Ziff. 3, 17 a OrthV lägen beim Kläger nicht vor. Er sei auf ein elektronisches Lesegerät mit Sprachausgabe nicht dringend angewiesen im Sinne der genannten Vorschriften. Der gegen den ablehnenden Bescheid vom Kläger eingelegte Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid als unbegründet zurückgewiesen. Das Urteil des Bundessozialgerichts, auf das der Kläger Bezug genommen habe, sei nicht geeignet, seinen Anspruch zu begründen, denn dieses beziehe sich auf das Recht der Krankenversicherung, dessen Maßstäbe im Hinblick auf § 35 des BVG nicht auf das soziale Entschädigungsrecht uneingeschränkt übertragbar seien.

Der Kläger erhob Klage zum Sozialgericht Trier, welches der Klage stattgab und die beklagte Versorgungsverwaltung verurteilte, dem Kläger ein elektronisches Lesegerät mit Sprachausgabe zu liefern. Zur Begründung führt das Sozialgericht aus:

Entgegen der Auffassung der Beklagten dürfe für die Gewährung eines elektronischen Lesegerätes mit Sprachausgabe kein strengerer Bedarfsmaßstab angelegt werden als für die Leistungspflicht nach dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Vorschrift des § 11 Abs. 1 S. 2 BVG verweise für die Leistung nach § 11 Abs. 1 S. 1 BVG auf die entsprechende Anwendung der Vorschriften für die Leistungen, zu denen die Krankenkasse ihren Mitgliedern verpflichtet sei. Ziel des Gesetzgebers sei es damit gewesen, die Versorgungsberechtigten in die durch das Fünfte Sozialgesetzbuch (SGB V) geschaffenen Leistungsverbesserungen einzubeziehen. Der in dieser Bestimmung enthaltene Gesetzesvorbehalt "Soweit dieses Gesetz nichts anderes bestimmt" werde im BVG selbst nirgends in der Weise ausgefüllt, dass eine Einschränkung der Versorgung mit Hilfsmitteln gegenüber dem entsprechenden Leistungsumfang der gesetzlichen Krankenversicherung erkennbar würde.

Demzufolge sei § 17 a Abs. 2 OrthV ermächtigungskonform in der Weise auszulegen, dass der vom Verordnungsgeber darin vorausgesetzte gesteigerte Behandlungsbedarf nur insoweit gelte, wie der Verordnungsgeber in der OrthV die Leistung von Hilfsmitteln vorsehe, die nach den Vorschriften der gesetzlichen Krankenversicherung nicht zu leisten wäre, etwa weil sie Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens seien. Ein Hilfsmittel sei folglich bereits dann zu liefern, wenn es die in § 33 Abs. 1 SGB V genannten Voraussetzungen erfülle und für eine ausreichende und zweckentsprechende Heil- oder Krankenbehandlung notwendig und nicht unwirtschaftlich sei.

Das vom Kläger beantragte elektronische Lesegerät mit Sprachausgabe wäre nach den Vorschriften der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 33 Abs. 1 SGB V) von der Krankenkasse ihren Mitgliedern zu leisten. Nach § 33 Abs. 1 S. 1 SGB V hätten Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Seh- und Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich seien, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern oder eine Behinderung auszugleichen, soweit das Hilfsmittel nicht als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens oder nach § 34 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sei.

Das elektronische Lesegerät mit Sprachausgabe sei ein geeignetes Hilfsmittel zum Ausgleich einer Behinderung im Sinne der zweiten Alternative des § 33 Abs. 1 S. 1 SGB V, weil es als ein sonstiges Hilfsmittel anzusehen sei, das ein behinderungsbedingt erheblich beeinträchtigtes Grundbedürfnis des Behinderten - nämlich das Informationsbedürfnis - abdecke.

Das hier beantragte Gerät sei auch "im Einzelfall erforderlich" im Sinne des § 33 Abs. 1 S. 1 SGB V. Seine Erforderlichkeit entfalle nicht wegen der geleisteten Pflegezulage nach Stufe III. Diese Barleistung werde dem Kläger gemäß § 35 Abs. 1 S. 5 BVG ohne Nachweis ihrer Verwendung gewährt. Der Anspruch des Klägers auf ihre Gewährung bestehe unabhängig von seinem Anspruch auf Heilbehandlung und damit auf die Versorgung mit Hilfsmitteln.

Das Urteil wurde rechtskräftig.

 

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